Wenn der Betriebsrat mehrfach von Beschäftigen auf eine bestehende Überforderungssituation angesprochen wurde, besteht bereits eine Erforderlichkeit nach dem BetrVG

Der 17-köpfige Betriebsrat eines Unternehmens hatte den Entschluss gefasst, ein Betriebsratsmitglied zu dem Seminar “Burnout im Unternehmen – Der Betriebsrat als Berater” zu entsenden. Die Arbeitgeberin lehnte die Übernahme der Schulungskosten und Freistellung des Betriebsratsmitglieds für die Teilnahme an der Schulung unter Fortlaufen der Bezüge ab. Sie verwies zur Begründung auf die im letzten Jahr erfolgte Schulung eines anderen Betriebsratsmitgliedes zum selben Thema und das sogenannte “Employee Assistance Program (EAP)”, das eine telefonische Beratung und Unterstützung für Mitarbeiter durch einen externen Anbieter beinhaltet.

Der Betriebsrat war der Ansicht, dass die Schaffung von Fachkompetenz in Gesundheitsfragen und speziell zum Thema “Burnout” innerhalb des Betriebsrates erforderlich sei. Die Existenz eines telefonischen Beratungsservice führe nicht dazu, dass es in diesem Bereich keine Spielräume mehr gebe, aktiv zu werden. Insbesondere das ausgewählte Betriebsratsmitglied in seiner Eigenschaft als erster Ansprechpartner für eine Vielzahl von Beschäftigten und Mitglied des Gesundheitsausschusses im Unternehmen müsse in der Lage sein, auf Anliegen von Betroffenen, die auch in der Vergangenheit bereits an ihn herangetragen wurden, kompetent reagieren zu können.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Essen hat dem Betriebsrat Recht gegeben: Die Arbeitgeberin ist gemäß § 40 Abs.1 BetrVG verpflichtet, die aus der Teilnahme des Betriebsratsmitglieds resultierenden Schulungskosten zu tragen, da der Betriebsrat das auf der Schulung vermittelte Wissen für seine Tätigkeit benötigt.

Nach § 37 Abs. 6 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn sie unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb und im Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen kann. Dazu bedarf es, soweit es nicht um die Vermittlung von Grundkenntnissen geht, der Darlegung eines aktuellen oder absehbaren betrieblichen oder betriebsratsbezogenen Anlasses, aus dem sich der Schulungsbedarf ergibt.

Die Schulung “Burnout im Unternehmen” vermittelt Fachwissen in einem Bereich, der zum Aufgabengebiet eines örtlichen Betriebsrates gehört, so das Gericht. Das folge an erster Stelle aus § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG, wonach der Betriebsrat bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen hat.

Darüber hinaus ergibt sich aus weiteren Regelungen, wie etwa den §§ 89, 90 BetrVG, dass zum Aufgabengebiet des Betriebsrates der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter, gerade auch in Zusammenhang mit bestehenden oder neu eingeführten Arbeitsbedingungen und -abläufen, gehört.

Zudem könne der örtliche Betriebsrat die Schulung für sich beanspruchen und müsse sich nicht – wie der Arbeitgeber meinte – darauf verweisen lassen, dass der Gesamtbetriebsrat für dieses Thema zuständig sei. Der örtliche Betriebsrat muss in der Lage sein, Gesundheitsgefährdungen in seinem Betrieb zu erkennen und auf Abhilfemaßnahmen zu drängen. Hierbei ist er mit Blick auf das im Rahmen des § 87 BetrVG bestehende Initiativrecht nicht darauf angewiesen, dass die Arbeitgeberin das Thema Gesundheitsschutz aufgreift. Vielmehr hat er die Kompetenz, von sich aus Maßnahmen auf örtlicher Ebene, die er für sinnvoll hält, vorzuschlagen und mit der Arbeitgeberin zu verhandeln, heißt es in der Entscheidung.

Insgesamt war die Auswahl des Betriebsratsmitglieds – auch wegen seiner Zugehörigkeit zum Gesundheitsausschuss – angemessen.

Quelle:

ArbG Essen, Beschluss vom 30.06.2011
Aktenzeichen: 3 BV 29/11
Rechtsprechungsdatenbank Nordrhein-Westfalen


Bitte diesen Artikel teilen: